Schwieriges Verständnis
Erstes Präsenztreffen des Vorstands des Petersburger Dialogs seit Beginn der Pandemie
Im vergangenen Jahr hatten das Gesprächsforum „Petersburger Dialog“ und seine Arbeitsgruppen ihre Kontakte ins Internet verlegt, wo Konferenzen, persönliche Treffen und Beratungen stattfanden sowie die neuen Ausgaben der Zeitung des Forums vorbereitet wurden.
Nun endlich ergab sich die Möglichkeit eines Treffens von Angesicht zu Angesicht. Größere Delegationen können noch nicht an den Treffen teilnehmen, denn die Hygienebestimmungen in Berlin legen fest, dass höchstens 20 Personen einschließlich Hilfskräfte in einem Raum zusammenkommen dürfen. Deshalb waren einige deutsche Teilnehmer darauf angewiesen, mit den im Konferenzraum des Hotels Marriott versammelten Vorstandsmitgliedern über den Bildschirm zu diskutieren.
In Anbetracht dieser Situation ist es kein Zufall, dass der deutsche Ko-Vorsitzende des Forums, Ronald Pofalla, seine Rede mit einer Schilderung der Art und Weise begann, wie die deutsche Gesellschaft die Pandemie erlebt und sich ihr entgegenstemmt. Eine der angeführten Zahlen dürfte bei der russischen Seite durchaus gewissen Neid hervorgerufen haben: Am Vortag des Treffens waren in Deutschland #1 300 000 Menschen geimpft worden.
Auch eine schwierige politische Bewährungsprobe steht in Deutschland bevor – in sechs Bundesländern werden die Landesparlamente gewählt, und im September findet die Bundestagswahl statt. Pofalla erwartet, dass die Bundesrepublik im Ergebnis dieser Wahl höchstwahrscheinlich von einer Koalition aus CDU/CSU und Grünen geführt werden wird.
Der russische Ko-Vorsitzende Viktor Subkov berichtete von den Aktivitäten des Forums in den vergangenen Monaten, stellte die neuen Leiter der Arbeitsgruppen Zivilgesellschaft und Wirtschaft vor – den Präsidentenberater Valery Fadeev und den Chefvolkswirt der Außenwirtschaftsbank Andrey Klepach. Des weiteren sprach er die Frage der Garantien für das gemeinsame Zeitungsprojekt an.
Als Vorstandsmitglied Marieluise Beck das Wort ergriff, ging die Sitzung in einen Austausch von Fragen und Antworten über. Mit Besorgnis sprach Frau Beck über die mögliche Schließung der drei deutschen NGOs „Forum russischsprachiger Europäer“, „Zentrum Liberale Moderne“ und „Deutsch-Russischer Austausch“ in Russland, denen sie verbunden ist. Victor Subkov erklärte, dass der Vorstand des „Petersburger Dialogs“ in diesem Fall leider nicht das Gericht ersetzen könne. Sollte eine solche Entscheidung getroffen werden, dann könne man dagegen nur gerichtlich vorgehen.
Vorausgreifend kann hier gesagt werden, dass die russische Generalstaatsanwaltschaft in der Tat eine derartige Entscheidung getroffen hat: Alle drei NGOs wurden als in Russland unerwünscht eingestuft. Der deutsche Vorstand des „Petersburger Dialogs“ diese Entscheidung. Ronald Pofalla erklärte nach Bekanntwerden, dass die russischen Behörden einen konfrontativen Ansatz gegenüber der eigenen russischen Gesellschaft verfolgten, und der „Petersburger Dialog“, der Brücken zwischen den Ländern bauen will, sich gegen Beschränkungen der Tätigkeit seiner Mitgliedsorganisationen wende. Der deutsche Außenminister Heiko Maas appellierte ebenfalls, diese Entscheidung rückgängig zu machen und sprach sich für den freien Meinungsaustausch zwischen den Bürgern aus.
Trotz der schwierigen Situation und umstrittener Entscheidungen bereiten sich die Mitglieder des Forums auf die bevorstehenden Treffen vor: Im Oktober findet in Kaliningrad die 19. Tagung des „Petersburger Dialogs“ statt. Die für Juli geplante Vorstandssitzung in Moskau steht jedoch nach der Schließung der deutschen NGOs unter einem Fragezeichen.
Doch wie sich die politische Lage auch gestalten mag, wir werden mit den deutschen Partnern Themen finden, die für unsere Länder wichtig sind, wenn der Wille dazu vorhanden ist. Man sollte nicht vergessen, dass die zwischenstaatlichen Beziehungen nicht immer mit den Beziehungen zwischen den Menschen und Nationen, die in diesen Staaten leben, übereinstimmen. Der „Petersburger Dialog“ wird, wie die Vorstandssitzung gezeigt hat, alles tun, um zu verhindern, dass auf die Vertrauenskrise eine Verständniskrise folgt.
Pavel Aprelev
ist Redakteur der russischen Tageszeitung *Kommersant*.