Freitag, 19. April, 2024

Der Star der Deutschen Oper am Rhein: Maria Kataeva

Von Daria Boll-Palievskaya Maria Kataeva als Carmen an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf Bild: Susanne Diesner

Wie kommt ein Mädchen aus einer fernen sibirischen Industriestadt, in der es nicht einmal ein Opernhaus gibt, auf die Idee, Opernsängerin werden? Kurz und bündig antwortet Maria Kataeva ihren Kolleginnen und Kollegen an der Deutschen Oper: „Das wusste ich bereits mit vier Jahren.“

Wenn die Bewohner ihrer Heimatstadt Nowokusnezk klassische Musik hören möchten, müssen sie acht Stunden mit dem Zug nach Nowosibirsk fahren. Aber was bedeuten schon Entfernungen, wenn man einen Traum hat. Kataeva beschloss, ihre musikalische Ausbildung am Konservatorium im 4000 Kilometer entfernten St. Petersburg zu absolvieren.

Dass ihre Karriere in Deutschland beginnen würde, konnte Kataeva sich nicht vorstellen. Aber als Studentin wurde sie bei einem Casting an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf entdeckt und bekam ein Engagement am Opernstudio. „Ich dachte, ich würde in kleinen Rollen in einem kleinen Theater in St. Petersburg anfangen und mich langsam hocharbeiten“, sagt die junge Mezzosopranistin. Sie hoffte, vielleicht eines Tages in einer Produktion in Europa zu singen. „Aber dann ging alles so schnell und kam unerwartet.“

Heute ist Kataeva die große Primadonna der Deutschen Oper am Rhein. Wie hätte sich ihre Karriere entwickelt, wenn sie in Russland geblieben wäre?

„Operngesang bedeutet nicht nur schöne Klänge zu produzieren. In jeder Sprache müssen Sie so nah wie möglich am Original sein. Und dafür müssen Sie sich mit einer anderen Kultur vertraut machen“, sagt sie. „Zum Glück gibt es im Opernstudio in Düsseldorf Sprachcoaches. Und ich habe die Möglichkeit, Sänger verschiedener Gesangsschulen zu erleben. Ich habe das Gefühl, ich habe jetzt andere Ohren. Kommunikation mit Muttersprachlern macht ein musikalisches Talent zu etwas Besonderem.“

Doch die Grundlage ist die russische Gesangsschule.

„Die Natur selbst hat russische Sänger mit Stimmen gesegnet, die in Klangfarbe und Tiefe erstaunlich sind. Daraus können sie alles formen. Tanz, szenische Bewegung, Beherrschung eines Musikinstruments, Musiktheorie – all dies ist in der russischen Musikausbildung enthalten. Am Petersburger Konservatorium gab es sogar ein richtiges Theater, in dem Studenten Opern inszenierten. Auf dieser Basis können sie sich also in jede Richtung entwickeln und ihre Fähigkeiten verbessern.“

Carmen, Rosina, Aschenputtel, Königin Elizabeth, Cherubino … Mozart, Händel, Rossini, Offenbach, Donizetti, Verdi, Puccini, Bizet … das Repertoire der russischen Sängerin ist riesig. Nur russische Musik vermisste sie sehr. Im vergangenen Jahr führte die Deutsche Oper am Rhein Tschaikowskys „Pik-Dame“ auf, in der Kataeva die Rolle der Polina sang.

„In der russischen Opernmusik gibt es nicht so viele Partien für den lyrischen Mezzosopran, und in Europa werden nur wenige russische Opern aufgeführt. Das war für mich ein großes Glück“, sagt sie. „Manchmal muss man sich überwinden, wenn man mit einem Regisseur zusammenarbeitet, der noch nie in Russland war und keine russische Musik oder Literatur studiert hat, insbesondere im Original. Wir müssen nach einem Kompromiss suchen. Anscheinend sind nur wir Russen so skeptisch. Europäer mögen moderne Interpretationen.“

Das vergangene Jahr war etwas Besonderes für Kataeva. Sie gewann den 2. Preis und den Publikumspreis beim internationalen Wettbewerb Operalia in Prag. Dieser Wettbewerb wird einmal im Jahr vom großen Tenor Placido Domingo organisiert. Speziell für das Programm mussten die Sänger Zarzuela lernen – ein spezielles spanisches Musikgenre.

„Ich singe auf Deutsch, Italienisch, Französisch, Russisch. Und dann musste ich auch noch Spanisch lernen“, sagt sie und lacht. Der Maestro versicherte ihr, dass ihr Spanisch perfekt klinge und dass sie selbst den Spaniern den Stil von Zarzuela beibringen könne.

Es war nicht der erste Opernwettbewerb, bei dem sie auf den ersten Plätzen landete. 2016 erhielt sie beim renommierten deutschen Wettbewerb „Meistersinger von Nürnberg“ den ersten Preis im allgemeinen Fach, und in der Kategorie Deutsche Musik den dritten. „Für mich war es eine große Überraschung“, sagt Kataeva. „Immerhin nahmen Sänger mit einem Wagner-Repertoire am Wettbewerb teil. Für mich ist dieser Preis noch wichtiger als der erste Platz im allgemeinen Wettbewerb.“

Wieso das?

„Für mich ist es am schwierigsten, auf Deutsch zu singen. Hier sind die Vokale kurz und viele Konsonanten stehen zusammen. Ich muss meinen Sprachapparat anpassen.“

Ein sehr wichtiger Schritt in ihrer Entwicklung war die Rolle des Komponisten in Richard Strauss‘ Oper Ariadne auf Naxos. Nächstes Jahr warten die Salzburger Festspiele auf Kataeva, wo sie auf Einladung des Stars der modernen Oper, Rolando Villazón, an der Aufführung von Mozarts Requiem teilnehmen wird.

Als Kataeva vor zehn Jahren nach Deutschland kam, sprach sie kein Wort Deutsch. Ist Düsseldorf ihre zweite Heimat geworden?

„Ein Mensch kann nur eine Heimat haben. Aber das Theater ist mein trautes Heim geworden. Einst habe ich davon geträumt, auf dieser Bühne stehen zu dürfen. Und jetzt bespricht die Opernleitung mit mir das Repertoire, speziell für mich hat man die alte Produktion von Rossinis Oper Aschenputtel wieder aufgenommen.“

Und ein weiterer Traum der russischen Mezzosopranistin wurde wahr. Sie trat zum ersten Mal in ihrer Heimat in Russland auf und nahm am grandiosen Konzert von Placido Domingo in Moskau teil. „Es war sehr aufregend, mit dem großen Domingo und vor dem verwöhnten Moskauer Publikum zu singen.“

Daria Boll-Palievskaya
ist Journalistin, Autorin und Expertin für interkulturelle Kommunikation. Sie lebt in Düsseldorf.